Warum ist der Mark-West Vertrag gut für Kusterdinger Wohngebiete?
Eine wichtige Entscheidung ist die Festsetzung des Hebesatzes, nach dem die Grundsteuer an die Gemeinde berechnet wird. Die Härtenliste steht für eine aufkommensneutrale Festsetzung, bei dem die Gemeinde in Zukunft weder mehr noch weniger Steuern zur Verfügung hat.
Sonderfall Mark West
Die Gemeinde hat im Jahr 1977 die Aufgaben für die Entwicklung und den Betrieb des Gewerbegebietes an die Stadt Reutlingen übertragen und gibt zur Entschädigung 83,4% der Steuereinnahmen nach Reutlinger Hebesatz ab. Die Steuerhoheit bleibt in Kusterdingen und die Gemeinde muss sich bei der Rechnungsstellung für die Grundstücke an den niedrigeren Kusterdinger Hebesatz halten. Die Abtretung von Steuereinnahmen ist in solchen Fällen ein übliches Vorgehen.
Grundsteuerveränderung Mark West
Große Industriegebiete sind überall ungünstig für die Hebesätze, da das neue Grundsteuergesetz den Bodenwert der Gewerbeflächen deutlich niedriger bewertet als zuvor und die Wohngebiete das ausgleichen müssen. Im ganzen Industriegebiet reduzieren sich dadurch die Grundsteuereinnahmen um etwa 1,5 Mio €. Die spannende Frage ist nun, wie sich diese Mindereinnahmen zwischen Reutlingen und Kusterdingen aufteilen.
Fall 1: Kusterdingen übernimmt den Reutlinger Hebesatz
Das wurde in der Vergangenheit auch so gemacht, durch die Neubewertung der Grundstücke ändert sich jedoch die Situation komplett. Der Reutlinger Hebesatz von voraussichtlich 320 würde die Grundsteuereinnahmen der Gemeinde etwa verdoppeln. Es wäre eine massive Zusatzbelastung der Grundstücksbesitzer und ist nicht aufkommensneutral. Das wollen weder die Härtenliste, noch der Bürgermeister oder die anderen Gemeinderäte.
Fall 2: Aufkommensneutraler Hebesatz der Gemarkung
Durch den großen Flächenanteil in Mark-West und den niedrigeren Hebesatz stellt Kusterdingen ab 2025 in Mark-West etwa 900.000 € weniger Grundsteuer in Rechnung und muss noch die Differenz der Hebesätze der beiden Gemeinden in Höhe von etwa 150.000 € drauflegen. Letzteres wurde von den Bürgern als ungerecht empfunden und viel diskutiert. Kusterdingen ist aber leider an diese Verträge gebunden. Die Gemeinde hat daraus einen aufkommensneutralen Hebesatz von 235 errechnet.
Fall 3: Aufkommensneutraler Hebesatz des Gemeindehaushalts
Hier wird es kompliziert, aber das Nachrechnen lohnt sich! Kusterdingen führt ja einen Großteil der Grundsteuer aus Mark West an Reutlingen ab. Dadurch trifft der größte Teil der oben genannten Mindereinnahmen die Stadt Reutlingen – Kusterdingen trägt nur einen Anteil von etwa 250.000 €. Hinzu kommen auch hier die 150.00€ Ausgleich der Hebesätze. Diese Zahlen liegen auch in der Nähe der 16.6% Stammkapital von Kusterdingen am Gewerbegebiet. Die Berücksichtigung dieser Effekte wurde durch die Härtenliste eingefordert, was bezüglich des Gemeindehaushalts einen neutralen Hebesatz zwischen 176 und 180 ergibt.
Die exakte Rechnung ist noch deutlich komplexer, weil ein Teil der Steuern verrechnet wird und wieder zurückfließt. Das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, wer es genau wissen möchte kann sich bei uns melden.
Was heißt das nun?
Die positiven Effekte der Verträge zum Industriegebiet Mark-West (Fall 3) wiegen weit stärker als die negativen Effekte. Wenn Kusterdingen seine Gemarkungsfläche im Industriegebiet Mark West selbst bewirtschaften würde (Fall 2) würden 900.000 € fehlen, die von den Kusterdinger Grundstücken ausgeglichen werden müssten (gesetzlich vorgeschriebene Aufkommensneutralität). Die bisher kritisierten Vereinbarungen mit Reutlingen wirken sich aktuell vorteilhaft aus und erlauben einen um etwa 50 Punkte niedrigeren Hebesatz als ohne den Vertrag.
Gemeinderatsfaktion der Härtenliste
danke Josef! Deine Durchleuchtung der steuerlichen Zusammenhänge wird vielen betroffenen Bürgern helfen unseren Vorschlag für den neuen Hebesatz nachzuvollziehen und gut zu heißen. Im Gegensatz zur Verwaltung, die ja die Abhängigkeit von Reutlingen als bittere Pille für uns Kusterdinger dargestellt hat, um ihren falsch berechneten einkommensneutralen Hebesatz von 235 zu verkaufen, gelingt es dir, zu zeigen, dass wir unterm Strich als Gemeinde den geringeren Schaden im Vergleich zu Reutlingen tragen, und dass wir richtig gerechnet bei einem Hebesatz landen können, der weit weg ist von dem, vor was Pessimisten in den letzten Monaten gewarnt haben.